eyeye: Wie Sprache den Output generativer Systeme prägt.

Wie Sprache den Output generativer Systeme prägt

Ein KI-Experiment über kulturelle Prägung, Zensur und queere Sichtbarkeit

Was passiert, wenn man eine Künstliche Intelligenz auffordert, ein Bild von Liebe zu erzeugen? Und wie verändern sich die Ergebnisse, wenn derselbe Eingabebefehl nicht nur auf Englisch, der gebräuchlichsten Prompt-Sprache, sondern auch in verschiedenen anderen Sprachen, darunter Chinesisch, Russisch, Arabisch und Suaheli, gestellt wird? Wir wollten es genau wissen und haben analysiert, welchen Einfluss die Sprache des Prompts auf die Ergebnisse generativer KI haben. Hat Sprache einen kulturellen Code für Generative KI?

Das Experiment

Im Zentrum unseres Experiments steht ein einfacher Bild-Prompt: „Liebe zwischen zwei erwachsenen Menschen.“ Wir übersetzen diesen Satz in verschiedene Sprachen und geben ihn in gängige KI-Bildgeneratoren ein.

Es wird interessant: Die dargestellten Menschen passen sich jeweils dem Kulturkreis an, den die Sprache vorgibt. Ein türkischer Prompt erzeugt türkisch aussehende Paare, ein chinesischer Prompt generiert chinesische Zweisamkeit. Die Sprache fungiert also nachweislich als kultureller Filter.

Je nach Sprache wandeln sich Ethnien, Kleidung, Hintergründe und sogar Lichtstimmungen. Auch ohne explizite geografische Angaben spiegeln die Bilder typische Darstellungen der jeweiligen Kultur. Sprache ist also ein enormer Faktor für KI-generierte Markenkommunikation, wenn es um differenzierte Zielgruppenansprachen oder internationale Werbekampagnen geht. Und die KI reproduziert eine universelle Vorstellung von Liebe, abgestimmt auf kulturell eingeübte Bilder.

Kulturelle Filter und queere Sichtbarkeit

Für den Pride Month haben wir das Experiment erweitert und unseren Prompt ergänzt: „Queere Liebe zwischen zwei erwachsenen Menschen.“ Auch diesen Satz übersetzen wir in verschiedene Sprachen und geben ihn in die gleichen gängigen KI-Tools ein. Die Reaktionen unterscheiden sich deutlich – erstmals nicht nur im Stil, sondern im Umgang mit dem Thema selbst.

In westlichen Sprachen erscheinen emotionale, vielfältige Bilder. Sie zeigen gleichgeschlechtliche Paare, Nähe, Intimität, Leichtigkeit und Lebensfreude. In anderen Sprachräumen hingegen werden abstrakte und themenfremde Motive oder gar keine Antwort generiert. Oft verweigert die KI den Prompt. Stattdessen erscheinen Hinweise auf allgemeine Richtlinien zum verantwortungsbewussten Umgang mit KI oder sogar eine komplette Verweigerung der Bildausgabe.

Die KI zeigt queere Liebe. Oder eben nicht. Je nachdem, in welcher Sprache gefragt wird. Offensichtlich erkennt das System, dass queere Inhalte in bestimmten Kulturkreisen sensibel oder verboten sind, und reagiert mit Zurückhaltung, Zensur oder Ausweichbewegungen. Nicht, weil die KI selbst urteilt, sondern weil sie gelernt hat, was in welchem Kontext als zeigbar gilt, und was nicht.

Was wir daraus lernen

Künstliche Intelligenz ist kein neutraler Spiegel. Sie verstärkt gesellschaftliche Sichtweisen. Sie bildet nicht nur ab, was in ihren Daten steckt, sondern auch das, was fehlt. Sie zeigt Bilder oder verschweigt sie. Je nach Sprache, Kontext und kollektiver Sichtbarkeit.

Fazit: Sprache steuert und begrenzt

Unser Experiment zeigt, Sprache ist für KI nicht nur ein Mittel zur Beschreibung, sondern ein Schlüssel zur Bildwelt. Sie aktiviert kulturelle Kontexte und beeinflusst, wie Menschen, Kleidung und Stimmungen dargestellt werden. Was zunächst empathisch wirkt, kann jedoch schnell zur Schranke werden.

Deshalb ist es wichtig, kulturelle Vielfalt und eben auch andere Formen der Liebe bewusst in Trainingsdaten, Algorithmen und Prompts einzubinden. Künstliche Intelligenz lernt von uns. Wir entscheiden, was wir ihr beibringen und was sie sichtbar machen darf.

Es ist an der Zeit, die generative KI bunter zu machen.
Happy Pride Month, everyone!

Der Clip zum Experiment, entwickelt für Social Media. Ein schneller, visueller Einstieg in unser Sprachexperiment: Wie reagiert generative KI auf den gleichen Prompt in unterschiedlichen Sprachen. Und was bleibt unsichtbar? Ein Prompt, erschreckende Realitäten.

 

Hinweis zur Methodik

Der Basis-Prompt in unserem Experiment war ein einfacher Text-zu-Bild-Befehl, ohne stilistische oder inhaltliche Vorgaben. In der Regel wurden zwei, maximal drei Iterationen pro Sprache durchgeführt, um ein klares, vergleichbares Bild zu erhalten.

In einigen Fällen, insbesondere dann, wenn die KI bereits im ersten Schritt queere Liebe darstellte, kamen im zweiten Durchlauf ergänzende Sref-Codes (Style References) zum Einsatz. Diese dienten dazu, die visuelle Ausdruckskraft gezielt zu verstärken: etwa durch farbenfrohere Szenen, stärkere Emotionalität oder sichtbare Intimität zwischen den dargestellten Personen.

Die Anpassungen blieben bewusst minimal, um zu beobachten, wie stark die KI von sich aus reagiert.

Weiterführende Links

Wer sich vertiefend mit den Themen kulturelle Prägung von KI, algorithmischer Zensur und Sichtbarkeit marginalisierter Gruppen in digitalen Systemen beschäftigen möchte, findet hier einige lesenswerte Quellen und Perspektiven. Die Auswahl ist ein Einstieg. Und eine Einladung, genauer hinzusehen.

Universität Hamburg
Künstliche Intelligenz für alle / Wie schaffen wir eine KI, die kulturelle Vielfalt repräsentiert?
2025, Anna Priebe

Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes
Künstliche Intelligenz in der Kultur- und Kreativwirtschaft
2024, Dr. Olaf Arndt, Bianca Creutz, Christina Schenten, Frauke Dornberg

European Union
Opportunities and challenges of artificial intelligence technologies for the cultural and creative sectors
2022

 

eyeye: Any Intelligence. Make it Yours.

Über eyeye

eyeye ist Werbeagentur, modernes Labor und traditionelle Werkstatt zugleich. Hier entstehen durch die Verschmelzung von Kreativität und Künstlicher Intelligenz (KI) außergewöhnliche Marken und Werbekampagnen. Ob kleines Unternehmen oder Global Player, wir glauben daran, dass jeder die Kraft der Digitalisierung für sich nutzen kann, um den Anforderungen eines sich stetig wandelnden Marktes gerecht zu werden.
Als erfahrene Werbeagentur begleiten wir Unternehmen auf ihrem Weg in die digitale Zukunft. Mit umfassendem Know-how in Künstlicher Intelligenz, Markenaufbau und -kommunikation setzen wir auf innovative Lösungen, um Ihre Marke unverwechselbar zu machen.

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